Autor: Fritz I. Schwertfeger
Bilder: Ultrasone / Fritz I. Schwertfeger
27.09.2015
Manufaktur-Fertigung – Jeder Kopfhörer ein Unikat
Zeit war schon immer ein besonderes Gut - und dieser Tage mehr denn je. Um so verständlicher, dass der geneigte High-Ender der viel Zeit auf Reisen und unterwegs verbringt, auch dort nicht auf ausgezeichneten Klang verzichten möchte. Und hat sich im trauten Heim ein kompromisslos guter Kopfhörer eingefunden, fällt es schwer unterwegs mit zweitklassigen Lösungen konform zu gehen.
Referenziöse Kopfhörer trotz ihres meist hohen Gewichts mitnehmen zu wollen wäre ja das eine, aber dann kommt oftmals noch das Problem mit deren enorm hohen Impedanzen dazu, die bis zu 600 Ohm betragen können. Diese erfordern dann schon zwingend den Einsatz eines kräftigen Kopfhörerverstärkers - schließt man sie dennoch an Smartphone oder portablen Player an klingt es muffig und lustlos.
Dass es auch anders geht und audiophiler Klang, sowohl zuhause auch unterwegs, keinen Wunschzustand darstellen muss, will die bayerische Kopfhörermanufaktur Ultrasone mit ihrem Edition 8 Carbon unter Beweis stellen. Diese Editions-Serie präsentiert sich in mittlerweile fünf verschiedenen Ausführungen von denen die hier gehörte Carbon das jüngste Modell darstellt. Zwar verlangt Ultrasone den monetären Gegenwert von 1 699,00 Euro für seinen edlen Kopfhörer, aber da wären wir wieder beim Faktor Zeit - denn jedes Exemplar wird von Hand in den Produktionshallen am Starnberger See und nicht irgendwo in Niedriglohnländern hergestellt. Hinzu kommen sorgsam selektierte Bauteile, sowie die noch zu erwähnende Tatsache, dass ein Kopfhörer innerhalb seines Fertigungsprozesses ausgiebige Qualitätsprüfungen durchläuft, ehe er als Unikat an den Kunden ausgeliefert wird.
Hält man den in geschlossener Bauweise konstruierten Kopfhörer in der Hand steht umgehend fest, dass statt ungebührlich hohem Gewicht gerade mal 260 Gramm auf die Waage bzw. auf den Kopf kommen. Noch bevor der Hörer überhaupt losgelegt hat, wird bereits die erste Fingerberührung zum haptischen Erlebnis. Neben der optischen Opulenz ebenfalls ein Highlight - der Kontakt mit dem vielzitierten Leder des äthiopischen Langhaarschaafes. Samtig weich umfasst das feine Leder den mit bequemer Polsterung versehenen und aus Aluminium bestehenden Kopfbügel. Visuell quasi nahtlos anschließend, die schwarz eloxierte und ebenfalls aus Aluminium bestehende Aufnahme der Ohrmuscheln. Der fein rasternde metallische Ausziehmechanismus schließt mit der beweglich gelagerten Aufnahme an den Ohrmuscheln ab. Beides gemeinsam erlaubt eine individuelle Anpassung an die Kopfform des jeweiligen Trägers. Bei näherer Betrachtung der Rasterungs-Innenseite offenbaren sich sogar die während des Herstellungsprozesses entstandenen feinen Spuren der Präzisionswerkzeuge.
Ein kleiner aber feiner, den Blicken fast entzogener Filzstreifen, verhindert unliebsame Berührungen zwischen Ohrmuschel und der Aufnahmevorrichtung, beugt so auch unliebsamer Mikrophonie vor. Die hochglänzenden Ohrmuscheln sind mit Ruthenium, einem seltenen und aus Platinerzen extrahierten Metall beschichtet. Trotz ihrer das gesamte Ohr umschließenden Größe wirken sie dennoch sehr kompakt. Eingefasst in deren makellos glatte Oberfläche, finden sich die filigranen und ebenfalls von Hand gefertigten Intarsien aus Carbon. Der so erzeugte farbliche Kontrast wird von einem in einem matt schimmernden Metallring vervollständigt und bildet so ein imposante wie elegante Gesamterscheinung, die man fast schon als Kunstwerk bezeichnen möchte. Wohin das Auge blickt, nur hochwertige Materialien, feinste Verarbeitung und perfekte Verarbeitung.
Die äußerst anschmiegsamen Ohrpolster, ebenfalls mit dem geschmeidigen, mattgrau schimmernden Leder überzogen, schließen sehr gut am Ohr ab und lassen Außengeräusche stark gedämpft außen vor bleiben. Der Tragekomfort des Edition 8 Carbon ist kurzum gesagt auf höchsten Niveau, er sitz fest und straff, dabei aber gleichzeitig sehr bequem ohne übermäßig zu drücken oder einzuengen. Längere Hörsitzungen sind, mit Einschränkung der unvermeidbaren Wärmeentwicklung um die Ohren, mit dem Edition 8 Carbon problemlos möglich. Die futuristisch elegante optische Wirkung wird auch von dem per Steckverbindung mit den Ohrmuscheln in Kontakt tretenden Kabel weitergeführt, welches über eine eingebaute Freisprechfunktionalität verfügt. Das mit einem metallisch schimmernden Innenmantel versehene Kabel fühlt sich nicht nur sehr hochwertig an, sondern bietet ausreichende Flexibilität ohne dabei zu verwinden.
Von außen nicht sichtbar, verbergen sich im Innern der Hörmuscheln von Ultrasone entwickelte, technologische Innovationen. Erwähnenswert z.B. die patentierte S-Logic Plus Technologie. Hierbei wird, um speziell vom Edition 8 Carbon zu sprechen, der aus Mylar/Titan gefertigte 40 mm Wandler nicht mittig in das Ohrmuschelgehäuse platziert. Dessen dezentrale Anordnung soll mittels Schallreflexionen unter Einbeziehung der individuellen Ohranatomie des Trägers, eine Richtungen und Distanzen stärker ausprägende Form der Klangausbreitung erzeugen. Das Resultat dieses ganzen Aufwandes soll eine deutlich gesteigerte räumliche Wahrnehmung und Einbindung ins musikalische Geschehen sein. Ebenfalls patentiert auch die Abschirmung der Wandler-Einheiten mit MU-Metall. Vorbeugend werden so niederfrequente Felder vom Träger ferngehalten.
Der Ultrasone benötigte eine lange Einspielzeit um seine Qualitäten „offenhertzig“ ans Ohr zu bringen. Aber dann... Durch seine gutmütige Impedanz von gerade mal 30 Ohm, lässt er sich auch von jedem Smartphone zu mehr als ausreichenden Lautstärkepegeln bewegen. Das vollwertige Bouquet seiner Talente offenbart er bevorzugt an hochwertigen Kopfhörerverstärkern oder auch an leistungsfähigen HiRes-Playern wie z.B. dem Calyx M. Im anschließenden Hörtest gab sich der Ultrasone als Vertreter der luftigen, offenen Klangphilosophie zu erkennen. Eine Eigenschaft die besonders deutlich zum Tragen kam je länger man den Ultrasone hörte, war seine Fähigkeit auch bei leisen Lautstärkepegeln sehr klar und mit detaillierten Feininformationen aufzutrumpfen. Wo andere Kopfhörer gerne mal Details unter den Teppich kehren, wenn mit leisen Pegeln gehört wird, konnten beim Edition 8 Carbon noch deutliche Feinheiten wahrgenommen werden. Das verhindert automatisch den übermäßigen Dreh am Lautstärkeregler und schont damit das Gehör.
Blues / Jazz
„Our Love“ von Gary Clark Jr. (The Story of Sonny Boy Slim) via MacBook Air als Download in 24 bit / 96 kHz von highresaudio.com zugespielt, ließ auch auch die kleinen, feinen Details, wie z.B. die hinten rechts lavierende Hammond Orgel mit fast schon dreidimensionaler Abbildungsgenauigkeit an die Ohren. Der einsetzende Bass tönte kraftvoll, und mit gleichberechtigter, nahtlos an den Mittelhochton anschließender, griffiger Substanz. Neben der Fähigkeit das musikalische Gesamtgeschehen breit aufzufächern, gesellte sich eine bemerkenswerte Ortungspräzision dazu. Verschiedene Ebenen bzw. sogar unterschiedlich weit positionierte Instrumente waren deutlich heraus hörbar. Der Edition 8 Carbon zeigte rasch, dass er sich nicht als Vertreter einer weichen, warmen Klangsignatur einspannen ließ, sondern eher als präzisionsverliebt und mit piekfeiner, stressfreien Akkuratesse beschrieben werden wollte. Er löste im Obertonbereich sehr fein auf, und lieferte dadurch jede noch so kleine Nuance ans Tageslicht.
Low-Fi / Singer-Songwriter
Und auch beim vermutlich zum einmillionsten Mal gehörten Song „The Sing“ von Bill Callahan (Dream River) zeigte sich der Ultrasone von seiner luftig-eloquenten Art. Präzise und kraftvoll schob der Ultrasone in den untersten Oktaven an, widmete sich mit breiter Darstellung und chirurgischer Detailverliebt erneut dem Mittelhochtonbereich. Bemerkenswert auch die große und breite Bühne, die er im Kopf entstehen ließ. Bill Callahans sonore Stimme reproduzierte der Edition 8 Carbon mit reichlich Schmelz. Er ließ sie dabei nicht irgendwo vordergründig im Raum stehen, sondern platzierte sie mit weiter, räumlicher Tiefe in den musikalischen Kontext. Veränderungen in der stimmlichen Kolorierung präsentierte der Ultrasone wie mit dem Vergrößerungsglas. Durch sein präzises Timing wirkte die Musik leichtfüssig und temporeich, leisere Instrumente wurden nicht überlagert, sondern fanden ihren zugewiesenen Platz an jenem Ort, welchen der Tonmeister für sie vorgesehen hatte. Gerade dann, als sich beispielsweise Fidel und Banjo zu einem jauchzenden Mini-Creszendo empor steigerten, behielt der Kopfhörer mühelos die Übersicht und offenbarte auch die feinsten tonalen dynamischen Veränderungen.
Low-Fi / Singer-Songwriter
Angesteuert mit dem HiRes Player Calyx M erklang Ben Weavers Klagegesang bei „Grieve All You Want“ (Stories Under Nails) beängstigend real, während die sich monumentös auftürmenden Tieftonschläge für Gänsehaut sorgten. Der Ultrasone packte in die Darbietung eine agile Attacke, welche ohne überbordende Schärfe an den Tag zu legen, die schaurig-grusselige Stimmung nur noch unterstrich. Die durchaus stupende Dynamik wurde von einem mächtigen, tiefen wie präzisen Bass unterfüttert, so dass es mit viel Räumlichkeit schepperte, wummerte und jauchzte, während Ben Weaver noch immer mit seinem Weltschmerz und dem rostig schartigen Banjo rang. Kleinste Zwischentöne, die leise im Hintergrund agierten und gewöhnlich gerne unhörbar blieben, waren nicht nur wahrzunehmen, sondern gaben auch gleich ihre Herkunft preis. Da klingelte und tingelte es mal aus der einen mal aus der anderen Richtung. Und bei aller Präzisionsverliebtheit wirkte der Edition 8 Carbon nicht ausgefranzt oder harsch, sondern offenbarte in hohem Maße, die dem Stück innewohnende morbide Intensität.
Jazz
Gleiches galt auch beim Umschalten auf das Stück „Tuesday Wonderland“ des Esbjörn Svensson Trios (Live in Hamburg). Klavieranschläge waren sonor, fest umrissen, und auch mit all ihrem Nachhallen und Ausklingen fundiert wahrnehmbar. Füllig, kraftvoll und mit viel Raum- und Detailinformationen offenbarte sich der Ultrasone als äußerst agiler, dynamischer Kopfhörer, der seinem Träger Musik nicht einfach lustlos darbietet, sondern diese mit reichlich Dynamik und Swing erfüllt. So war auch das Einsetzen des Schlagzeugs mitreißend, wuchtig und unfassbar dynamisch, während es den blitzsauber und bissig konturierten Kontrabaß nicht im Geringsten überlagerte.
Elektro
Der Ultrasone ließ sich im Hörtest auch ganz ausgezeichnet von einem iPhone 6 ansteuern. Er reproduzierte auch datenreduziertes Material wie das in 320 kbit/s vorliegende „Digital Lion“ von James Blake (Overgrown) mit satter, sonorer Spielweise und temporeichem, agilem Spiel.
Mit farbintensiverem, gleichsam druckvollerem und feinerem Anstrich versah der Ultrasone das gleiche Stück, wenn es in CD-Qualität ohne Umwege vom regelbaren Kopfhörerausgang des Sony Vintage-Schlachtschiffes X 707 ES oder von einem externen Class-A Kopfhörerverstärker angesteuert wurde. Erfahrungsgemäß lohnt es sich immer einen Kopfhörer nach Möglichkeit mit verschiedenen Kopfhörerverstärkern, ob Transistor oder Röhre, Probe zu hören. Manche Kombinationen funktionieren gerade so, während andere eine nur schwer erklärbare Magie entwickeln.
Der zu Beginn etwas hell wirkende Ultrasone Edition 8 Carbon benötigte eine lange Einspielzeit, dankte dies aber mit spürbar farbintersiverer Leuchtkraft im Mittelton. Und auch der zunächst leicht übermotiviert antretende Hochton harmonisierte seine Spielweise und bot anschließend eine fantastische Auflösung. Der bayerische Edel-Kopfhörer klang nicht nur sehr räumlich, sondern trumpfte auch mit einem hohen Maß an Detailreichtum und Attacke auf, die ihn zu einem sehr luftigen, transparenten Klangbild verhalfen. Zu seinem agilem, von starkem Ausdruck geprägten Klangbild, gesellte sich ein sehr tiefer, mächtiger und dennoch knackiger Tiefgang dazu.
Zuhause an einem externen Kopfhörerverstärker betrieben ist der Ultrasone Edition 8 Carbon ein in ausdrucksstarkem Klangreichtum schwelgender Feinästhet, unterwegs verhilft er Smartphones oder HiRes-Playern zu ungeahnten klanglichen Höhenflügen und empfiehlt sich damit als Begleiter in allen Lebenslagen - und das für vermutlich lange Jahre.
Zugegeben, die für den Edition 8 Carbon fälligen 1699, 00 Euro sind ein stolzer Preis, aber dafür bietet der Ultrasone neben hochwertigem Klang auch eine erhabene Verarbeitung und Qualität. Seinen Preis verschmerzen lässt auch die Erkenntnis, dass er die luftige Spielweise eines offen konstruierten Kopfhörers mit der tiefen, druckvollen Vorstellung eines geschlossenen Hörers wundersam vereint. Und wem das noch nicht reicht: Er ist betörend und attraktiv wie der junge Marlon Brando, während er klanglich mit der Autorität eines John Wayne in Erscheinung tritt. Ein Kopfhörer für Männer eben, nicht für Jungs.
audisseus
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