Autor: Fritz I. Schwertfeger
Bilder: Sennheiser / Fritz I. Schwertfeger
28.01.2018
Der Sennheiser HD 599 führt die aktuelle Generation der HD 500 Kopfhörerlinie des Hannoveraner Kopfhörerspezialisten an. Mit insgesamt drei offenen (HD 599/ HD 579 / HD 559) und einem geschlossenen Over-Ear-Kopfhörer (HD 569), soll das bisherige Erfolgskapitel weitergeschrieben werden.
Sennheiser HD 599 – Der offensichtlichste Unterschied des offen konstruierten Sennheiser HD 599 im Vergleich zu seinem Vorgänger HD 598 ist zunächst optischer Natur, erfordert jedoch nähere Betrachtung. Im Farbspektrum angelehnt an Elfenbein in Verbindung mit erdig dunklen Wurzelholztönen ist der HD 599 ebenfalls mit dieser außergewöhnlichen Farbgebung bedacht, tritt aber sozusagen dezenter auf, gleichwohl die luxuriös anmutende Signatur erhalten blieb.
So verzichtet Sennheiser auf die Wurzelholz imitierenden Elemente an den Zierringen der Ohrmuscheln sowie den Enden des Kopfhörer-Bügels und genehmigt dem HD 599 statt dessen lieber einen wohldosierten Alu-Look, der sich moderner und zeitgemäßer gibt. Der ehemals in weiß gehaltene Kopfhörer-Bügel des HD 598 ist nun in weichem, wohlig anzufassendem braunen Kunstleder umhüllt und mit ausreichend dimensionierter Polsterung versehen. Das sorgt gemeinsam und in Verbindung mit den bequemen Ohrpolstern aus hautumschmeichelnden braunem Velours für einen außerordentlich bequemen Sitz und Tragekomfort.
Der Umstand, dass gerade der stabile Sitz und der Komfort bereits beim ersten Aufsetzen für ein besonderes "Momentum" sorgen, lässt sich auf mehrere Gründe zurückführen. Zum Einen sein geringes Gewicht von gerade mal 270 Gramm, sein optimal ausbalancierter Anpressdruck und seine Fähigkeit stundenlanges Hörvergnügen ohne übermäßige Erwärmung im umschlossenen Ohrbereich zu ermöglichen.
Der HD 599 ist ein circumauraler, umgangssprachlich auch ohrumschließender Kopfhörer, dessen Membran basierend dem offenen Konstruktionsprinzip kein geschlossenes Volumen im Rücken hat. Dadurch befreit vom Risiko rückwärtiger Einstreuungen kann diese freier aufspielen, während gleichzeitig die Luft im Ohrbereich nach außen zirkulieren kann.
Und obwohl die HD 500-Familie schon eine lange Weile auf dem Markt ist, kann ihr Design durchaus als progressiv-zeitlos bezeichnet werden. Ganz offensichtlich waren die Designer bei Sennheiser ihrer Zeit ein Stückchen voraus, denn die fließenden organischen Linien sind nicht zufällig gewählt. Sie folgen eher einem praktischen Zweck und verleihen dem Kopfhörer gleichzeitig auch ein optisches Alleinstellungsmerkmal.
Speziell die ovale, leicht in die Länge gezogene Form der Ohrmuscheln bietet den Ohren reichlich Raum, was im Genuss in den eigenen vier Wänden durchaus eine Rolle spielt, während man es unterwegs aus Gründen der Mobilität, vielleicht auch gerne ein wenig kompakter mag.
Das Einsatzszenario des HD 599 findet sich somit auch eher an der heimischen Anlage im Wohnzimmer, als unterwegs in Zug und Bahn. Da sowohl Außengeräusche nach innen dringen, als auch die gerade gehörte Musik nach außen emittiert wird, lässt sich Musik eher in einer ruhigen Umgebung am Besten genießen.
Dann spielt es dem Grundsatz nach - aber wir werden noch sehen, dass die Realität hier ein anderes Bild zeichnet - keine Rolle, ob Smartphone, Tablet oder einfach das MacBook Air als Musikquelle herangezogen werden. Durch die immer noch recht niedrige Impedanz von 50 Ohm, lässt sich der Sennheiser auch von leistungsschwächeren Amps adäquat antreiben.
Praktischerweise liefert Sennheiser gleich zwei Kabel mit, die jeweils per speziellen, bayonettartigen Verschluss sicheren Halt an der linken Ohrmuschel finden. So überlässt der Hersteller dem Besitzer die freie Wahl, welches der Kabel für welchen Zweck eingesetzt werden soll. Während sich das 3 Meter lange Kabel mit dem klassischen 6,35 mm Klinkenstecker perfekt für die Anlage oder den Kopfhörerverstärker eignet, bietet sich das 1,2 Meter lange Kabel für alle mit 3,5 mm ausgestatteten Zuspieler an.
Fast schon Seltenheitswert hat auch der mitgelieferte Adapter, mit dem auch das lange 6,35 mm Kabel beispielsweise an eine 3,5 mm Buchse Verwendung findet. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz, den jeder audiophil zugewandter Zuhörer bereits im Schlaf aufsagen kann, je besser die Quelle, desto besser das Ergebnis.
Und damit das genauso zutrifft, greift Sennheiser nicht nur zu bewährten Materialien, sondern auch auch auf technologische Kniffe zurück, die sich auch bei höherpreisigen Serien wiederfinden.
Damit ist das sogenannte Ergonomic Acoustic Refinement gemeint, bei dem Konstruktion, Materialien und das in diesem Zusammenhang stehende akustische Reflexionsverhalten zu einer exakt feinjustierten Schallausbreitung in Richtung Ohr resultieren.
Die bei Abnahme der kinderleicht auswechselbaren Ohrpolster gut erkennbare, leicht schräge Anordnung der Treiber soll für eine besondere Räumlichkeit sorgen.
Unliebsamen Klirr verhindert ein spezielles Zellulosevlies. Auch werden auch die auf Resonanzarmut getrimmten Treiber des HD 599 nicht nur von starken Neodym-Magneten angetrieben, sondern verfügen auch über eine gewichtssparende Schwingspulen-Konstruktion aus Aluminium. Jedes Gramm Gewicht, das hier gespart wird, macht sich mit einem besseren Impulsverhalten bemerkbar.
Nach angemessener Einspielzeit vom exzellent klingenden Astell & Kern AK 70 Mk II, wie auch vom Pioneer XDP-100R angetrieben fällt auf, dass sich der Sennheiser HD 599 trotz seiner erwähnten Impedanz von 50 Ohm, ohne Weiteres durchaus laute Pegel und einen dynamischen Antritt entlocken lässt.
Zwar lässt er sich auch für den Einsatz am iPhone 6 S einspannen, welchen ich aber eher als Notlösung als causa regularis erachte, scheint der HD 599 hier doch deutlich unter seinen Möglichkeiten zu spielen. Womit sich wieder der Kreis schließt zu besagter Güte der Wiedergabequelle.
Es hat sich aus Gründen der Praktikabilität eingebürgert, meist bei Kopfhören die für den mobilen Einsatz vorgesehen sind auf frequenzabhängige Widerstandswerte von entweder 32 Ohm oder gar 16 Ohm zu setzen. Das ist ideal für leistungsschwächere Verstärker die somit nicht gleich an ihre Grenzen geraten, wenn mal höhere Pegel abverlangt werden.
Im Gegensatz dazu weisen für den stationären Gebrauch vorgesehene Hörer gerne auch mal eine Impedanz von 600 Ohm auf, um durch die dünneren Kupferdraht-Wicklungen an der Spule genau dort Gewicht einzusparen. Was wiederum mit einem gesteigerten Impulsverhalten belohnt werden soll, gleichzeitig aber einen entsprechend kräftigen Verstärker erforderlich macht.
Wie auch immer. Hier geht der HD 599 - ganz Musterschüler - einen mehr als akzeptablen Kompromiss ein. Sowohl für den Einsatz am Kopfhörerverstärker, als auch an Digitalen Audio Playern (DAP), die in der Regel mit ausreichend dimensionierten Verstärkerzügen ausgestattet sind.
Um zunächst eine Einordnung treffen zu können, nehme ich den Philips Fidelio X2 zur Hand. Dessen Klangsignatur empfinde ich in den unteren Registern als tief hinabreichend und für einen offen konstruierten Kopfhörer kräftig, sonor und sauber aufspielend . Seine farbenfrohe und gleichzeitig detailreiche Mittenwiedergabe geht nahtlos in einen seidigen Präsenzbereich über, der für stundenlanges, ermüdungsfreies Hören geradezu prädestiniert zu sein scheint. Gewiss eine wie mir scheint, durchaus adäquate Vergleichsinstanz für den Sennheiser HD 599.
Musikalisch geht es mit dem Stück „Tuesday Wonderland (Live in Hamburg)“ aus dem gleichnamigen Live-Album des Esbjörn Svensson Trios los. Unvergesslich das Hören, nein, das Erleben dieses Stückes über den Orpheus HE 1 von Sennheiser, während einer der letztjährigen CanJams. Unzählige Male seither und mit den unterschiedlichsten Zuspielern und Kopfhörern gehört, dient es als zuverlässiger Gradmesser, um die Unterschiede zwischen Kopfhörern herauszuarbeiten. Und tatsächlich offenbart sich recht schnell ein deutlicher Unterschied in der Spielweise des Sennheiser HD 599 und des Philips Fidelio X2.
Der Sennheiser zeigt sich im Bassbereich zwar ebenfalls tief und kräftig aber dennoch mit schlankerer, strafferer Spielweise. Die Bassläufe wirken ausdifferenzierter, trocken und verfärbungsfrei, während sie dennoch druckvoll an die Ohren kommen.
Im Mittenband zeigen sich die Klavieranschläge mit authentischen Umriss gezeichnet. Sie kommen mit viel Tempo und Attacke, während die Körperhaftigkeit sowohl bei hohen als auch bei leisen Pegeln konsistent erhalten bleibt. Will meinen, es überfettet nichts und der Kopfhörer ist zackig und mit mitreißendem Drive unterwegs.
Der Sennheiser HD 599 staffelt ebenso wie der Philips Fidelio X2 die Instrumentierung in weitläufiger Art und Weise an ihren Platz. Dabei wirkt das Panorama mit ordentlicher Tiefe und Weite nachgezeichnet. Interessant vielleicht, dass der Philips hier das Geschehen generell etwas weiter nach vorne fasst, während der Sennheiser mehr Tiefe suggeriert. In Sachen dynamischen Antritt schenken sich beide Kandidaten nichts, beide sind energetisch wenn es das Programm hergibt und können auch zart und sanft nachzeichnen.
Während der Sennheiser im Hochton auf mehr Auflösung setzt, gibt sich der X2 eher samtig und sanft abgerundet. Das Maß der Auflösung des Sennheiser HD 599 wiederum, würde ich als detailliert und auf die Feinheiten konzentriert beschreiben, ohne dabei in Richtung überanalytisch geprägt auszubrechen. Im direkten Vergleich zum Philips Fidelio X2 zeigt sich der Sennheiser tendenziell frischer und akkurater aufspielend, während der Philips etwas feingeschliffener und mit überragenden dynamischen Eigenschaften auftrumpft.
So warten beispielsweise die perkussiven Elemente mit einer Brise mehr Klarheit und Transparenz auf, wobei der Philips hier lediglich durch seine untenrum massiver wirkende Grundabstimmung ein wenig an Helligkeit einbüßt und als Gegengewicht ebenjene wohlig-warme „Grundfülle“ in die Waagschale legt. Letztlich eine Frage des Geschmacks, denn ich denke, es gibt hier kein richtig oder falsch. Beide Kopfhörer spielen trotz ihres moderaten Preises eindeutig auf hohem Niveau und es bedürfte wohl eher eines HD-600 oder des neuen HD-660 S, um am Philips eindeutig vorbeizuziehen.
Wechseln wir noch kurz aus reiner Neugier das Genre und nehmen uns die Zeit für einen kurzen Vergleich mit dem AKG K 702. Beim als Download (88,2 kHz/24 bit) von highresaudio.com vorliegenden Stück "Baby, You Make my Crazy" von Sam Smith aus dem Album The Thrill Of It All präsentiert sich der Sennheiser im Hochton tatsächlich höflicher zurückhaltend als der AKG, der auch aufgrund seiner schlank gehaltenen Grundtonalität zu einer äußerst luftigen Spielweise übergeht.
Als quasi Gegenpol zeigt sich hier im Unterschied der substanzieller aufspielende Bassbereich und die klare, farbenfrohe und kräftiger wirkende Mittendarstellung des Sennheiser HD 599. Obwohl die fast schon ätherische Spielweise des AKG, die Sprachverständlichkeit und Detailversessenheit ihn zu einen lupenrein analytischen Vertreter seiner Gattung auszeichnen, fehlt mir ein wenig die Wärme und Fülle, die der Sennheiser hier beisteuert. Dennoch wildert der Sennheiser, trotz seines im Vergleich dezenter agierenden Präsenzbereiches, nicht in warm-weichen Gefilden, sondern bleibt einer hohen Auflösungsneigung verpflichtet.
Und auch wenn sich der Vergleich mit einem der Besten seiner Zunft im Grunde eigentlich verbietet, konnte ich es mir zu besseren Einschätzung dennoch nicht verkneifen. Natürlich zeigt sich augenblicklich und in direkter Unmittelbarkeit die Ausnahmestellung eines Focal Utopia auf, spielt dieser Referenz-Kopfhörer doch in einer gänzlich anderen Liga. Aber es zeigt doch deutlich auf, dass man dem Sennheiser HD 599 schlussendlich eine solide und grundehrliche Spielweise attestieren kann, die sich für den abgerufenen Betrag mehr als sehen lassen kann.
Sicherlich gibt es Kopfhörer, die in den einzelnen Disziplinen stärker auftrumpfen, aber in der Summe ist das Gesamtbild des HD 599 absolut überzeugend. Sennheiser liefert mit dem HD 599, sowohl für den ambitionierten Hörer der genussvolle Stunden an der heimischen Anlage verbringen möchte, wie auch für den audiophilen Aufsteiger, einen wohlklingenden und komfortablen Allrounder.
Der Sennheiser HD 599 spielt eindeutig auf der detailverliebten Seite, wenngleich er nie glasig oder hart im Oberton zu Werke geht. Seine detailreiche, aber entspannte Hochtondarstellung ist mit den Attributen feinzart und gleichzeitig präzise, klar und nuanciert am besten zu beschreiben. Das Mittenband zeigt sich vorbildlich akkurat und mit angenehmer, farbintensiver Timbrierung. Nahtlos schließt sich ein ebenfalls detailreich und straff aufspielender Tiefton an, der tief hinabreicht und dabei trocken und schnell agiert. Dynamische Feinabstufungen wie auch kraftvolle Tuttiorchestrierungen zeichnet der Sennheiser mühelos und authentisch nach, während er eine angenehm weitläufige Räumlichkeit mit luftiger Spielweise zum Besten gibt.
Ist der Aufstieg mit dem HD 599 nur eine Zwischenetappe lohnt der Blick in Richtung eines HD 660 S und aufwärts. Sennheiser hat hier noch einige heiße Eisen im Feuer...to be continued...
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